Programm Musik
Herzstück des Musikprogramms war das Themenfeld Akustik mit seinen politischen und europäischen Dimensionen. Der Name dieses Programmkomplexes war HÖRSTADT. HÖRSTADT knüpft an die legendäre Grundidee der Linzer KLANGWOLKE an und führt sie weiter zum Begreifen der ganzen Stadt als akustischen Raum. Für Linz eröffnet sie ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten in Politik, Wirtschaft, Kultur, Kunst, Bildung und Tourismus − frei von Moden und zeitbedingten Technologien − weil HÖRSTADT den Menschen als Ganzes, als klingendes Wesen, als Person in den Mittelpunkt stellt.HÖRSTADT entstand in einer umfassenden gesellschaftlichen Koalition aus Stadt- und Landesverwaltung, der Katholischen Kirche, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Gewerkschaft der Privatangestellten, dem Arbeitsmedizinischen Dienst, den Arbeitsinspektoraten, der Arbeiterkammer, dem Schulwesen, den Universitäten und Hochschulen, verschiedenen Medien, Hörbehindertenorganisationen, dem oberösterreichischen Landesmusikschulwerk und vielen anderen Unternehmen und Institutionen. Prominente UnterstützerInnen wie der Dirigent Franz Welser-Möst, die Festivalpräsidentin Helga Rabl-Stadler, der Bergsteiger Reinhold Messner oder der Physiker Anton Zeilinger fanden sich früh ein.
Flankiert wurde dieser thematisch stringente Bereich durch Kooperationsvorhaben, die nicht immer inhaltlich zuzuordnen waren, jedoch eine wichtige Funktion in der gesellschaftlichen Einbettung der Kulturhauptstadtaktivitäten erfüllten. Dazu gehörten Kooperationen mit dem Brucknerhaus und dem Posthof, also Teilen der LIVA, dem Landestheater Linz, dem Bruckner Orchester Linz, dem Kulturamt der Stadt Linz, dem Jazzclub Count Davies, dem Festival INNtöne, dem Jazzatelier Ulrichsberg, Musica Sacra, der Musikschule der Stadt Linz, der Anton Bruckner Privatuniversität, der Landesmusikdirektion, Jeunesse Musicale und anderen.
HÖRSTADT basiert auf drei Säulen: LINZER CHARTA, BESCHALLUNGSFREI, der Kampagne gegen Zwangsbeschallung, und AKUSTIKON, der europäischen Forschungs- und Vermittlungsstelle zur nachhaltigen Entwicklung des akustischen Raums. Dazu kamen Aktivitäten, die den Kampagnencharakter vertieften und verstärkten. Von Anfang an war HÖRSTADT als gesellschaftlicher Prozess konzipiert, der nicht mit dem Jahr 2009 enden, sondern weiter wirksam bleiben sollte, um Linz neu zu positionieren.
Die LINZER CHARTA ist der Versuch, Stadtentwicklung akustisch zu denken. Sie fasst Werte und Ziele zusammen, die der Stadt als Richtschnur für die zukünftige Entwicklung dienen sollen. Die Stadt Linz ist somit weltweit die erste Stadt, die durch den einstimmigen Beschluss der LINZER CHARTA am 22. Januar 2009 im Gemeinderat Akustik auf die Agenda setzte. Das AKUSTIKON ist eine Welt des Hörens in der Pfarrgasse, die sich radikal dem Hörbaren und dem Hören widmet. Es fungiert dabei nicht nur als Hörort, sondern auch als Ort akustischer Forschung, Theoriebildung und Vermittlung. BESCHALLUNGSFREI, die Kampagne gegen Zwangsbeschallung, richtet sich gegen die massive Präsenz von Hintergrundmusik in der öffentlichen Sphäre.
Nach dem Beschluss der LINZER CHARTA hat im Spätherbst 2009 auch die oberösterreichische Landesregierung in einem Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und Grünen die Thematisierung der Lärmberieselung auf ihre Fahnen geheftet. Die tiefe gesellschaftliche Wirkung von HÖRSTADT ist damit exemplarisch dokumentiert. Und auch europaweit war die Resonanz unerwartet groß: Die Stadt Erlangen hat die LINZER CHARTA ebenfalls einstimmig beschlossen, „Hörstadt Hannover“ startet nach Linzer Vorbild 2010, die IBA Hamburg (die größte Bauausstellung Europas) hat das AKUSTIKON zu gemeinsamen Studien eingeladen, das von der EU-Kommission initiierte Festival della Creatività in Florenz präsentierte HÖRSTADT für 450.000 BesucherInnen u. v. m. Das Studium der Akustik an der Kunstuniversität und der Johannes Kepler Universität ist initiiert (ab 2012), über 2.000 Orte in Österreich sind als beschallungsfrei gekennzeichnet, also frei von Hintergrundmusik, an vorderster Stelle das Parlament in Wien, und das AKUSTIKON in der Pfarrgasse 9-13 wird Heimstätte von HÖRSTADT für die Zukunft.
Mit diesen Initiativen ist die Positionierung von Linz und Oberösterreich als Ort akustischer Bewusstheit und als akustisches Kompetenzzentrum innerhalb kurzer Zeit gelungen. Dieser Prozess schloss und schließt alle gesellschaftlichen Gruppen und Bereiche ein und versteht sich dezidiert als kultureller Prozess, der die Gestaltung und Gestaltbarkeit unserer Lebensverhältnisse thematisiert.
Die Aufmerksamkeit und Teilnahme großer Bevölkerungsgruppen – auch bei avancierten musikalischen Vorhaben – sprechen für den Erfolg des Musikprogramms. Eine Auswahl: Die RUHEPOLE wurden von über 42.000 Menschen besucht, die ORGELSTATIONEN von 13.000, das TE DEUM DER TAUSEND von 9.000, das Openair-Konzert FRISCHLUFTKLASSIK von 16.000, das AKUSTIKON bis Ende des Kulturhauptstadtjahres von über 9.700, der CIRCUS von 8.500, PARADE, das Festival gehender Musik, von 7.000 und MEGAHERTZ, das europäische Jugendmusikfestival, von 50.000 Personen.
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