Europa - die demokratische Herausforderung
Pressemitteilung
Donnerstag, 12. November 2009
Kurzbericht der Veranstaltung im Wissensturm am Mittwoch, 11. November 2009
Es war der zweite Vortrag im Rahmen der Reihe „Europa – die demokratische Herausforderung“, die von der Volkshochschule Linz in Kooperation mit Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas veranstaltet wird. Vor 70 ZuhörerInnen betonte Dr.in Puntscher-Riekmann, dass es nicht nur Kritik am Europäischen Parlament gibt, sondern am Parlamentarismus generell.
Die Referentin wies darauf hin, dass ein funktionierendes Parlament jedoch die Voraussetzung für jeden demokratischen Verfassungsstaat sei. In Österreich war die im Jahr 1934 erfolgte Ausschaltung des Parlaments der Beginn autoritärer Regierungsformen, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Wiedereinsetzung des Parlaments beendet werden konnte.
Parlamente sind die wichtigsten Orte der Repräsentation, der Beratung und Kompromiss-bildung unterschiedlicher Interessen, sowie Orte der Entscheidung und Legitimation.
1979 wurde das EU-Parlament erstmals direkt gewählt. Durch die europäische Integration hat sich der Parlamentarismus verändert; es kam zu einer starken Dominanz der Regierung (EU-Kommission) über das EU-Parlament. Da die für Europa relevanten Fragen sehr komplex sind, gab es auch einen stetigen Zuwachs von Bürokratie, Experten und Lobbyismus. Heute sind Hunderte von Arbeitsgruppen auf Beamtenebene eingesetzt. Frau Dr.in Puntscher-Riekmann wies darauf hin, dass die nationalen Parlamente oft überfordert sind mit der immensen Menge an Wissen, das von der Europäischen Union produziert wird.
Seit langem wird die Forderung nach mehr Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen gestellt. Wesentlich ist dabei die Forderung nach Volksabstimmungen. Der Anfang nächsten Jahres in Kraft tretende Vertrag von Lissabon bekennt sich zur repräsentativen Demokratie, gibt jedoch den BürgerInnen mehr Mitbestimmungsgelegenheit durch die sogenannte Bürgerinitiative, die von der EU-Kommission behandelt werden muss, wenn mindestens eine Million BürgerInnen aus einer wesentlichen Anzahl von Mitgliedsstaaten diese Initiative unterstützt haben.
Während bisher sehr viele Agenden von EU-Kommission bzw. EU-Rat beschlossen wurden, wird aufgrund des Lissabon-Vertrages künftig in ca. 95 Prozent aller Fälle das EU-Parlament mitentscheiden können.
Als sehr wesentlich bezeichnete Dr.in Puntscher-Riekmann die Neuerung, dass die nationalen Parlamente nun direkt von der EU-Kommission über alle Gesetzesinitiativen informiert werden müssen. Dadurch kann jedes Parlament einen Einwand tätigen, falls das Prinzip der Subsidarität verletzt werden sollte. Insgesamt sieht die Referentin auf EU-Ebene mehr Transparenz und Partizipationsmöglichkeit als auf nationaler Ebene.
Als wichtige Auswirkung des neuen Vertrages bezeichnete die Referentin die Tatsache, dass sich künftig die nationalen Parlamente mit anderen Staaten zusammentun müssen, um das Drittel zu erreichen, das erforderlich ist, um die EU-Kommission in strittigen Fragen zu blockieren. Alles in allem könnte der Vertrag, so Dr.in Puntscher-Riekmann, ein Neuanfang für den Parlamentarismus in Europa sein.