Fließende Grenzen
Symposium RanitzDialoge
29. August 2009
Nicht alles fließt – was Menschen verbindet.
Nur fließende Grenzen sind keine Mauern.
Ottensheim liegt am Strom. Nahe der Rodlmündung an sommerlichen Wochenenden die traditionellen Familienfeste der Muslime. Nicht alle Ottensheimer können diesem lebendigen Treiben mit Freude begegnen; möglicherweise werden sie erinnert an Lagerfeuer ihrer eigenen Kindheit, die im geregelten Tagesablauf, in der zwanghaft durchgestalteten Landschaft heute kaum mehr gestattet sind.
Andererseits kann es in Ottensheim der Fall sein, daß sich zu einer internationalen Lesung in sieben verschiedenen Sprachen über 200 Besucher auf der Überfuhr einfinden.
Europa ist so frei und zieht Hängebrücken auf. Innen und außen. Sind die „großen Kultursprachen“ die einzigen der Literatur? Die Donau fließt durch mehr. Ihre Wasser sind die Wasser von vielen Zuflüssen. Und Ottensheim liegt am (Schwarzen) Meer, südlich des Böhmischen Waldes. Wo Nationalhader, Fremdenhaß geschürt werden, ist die ResigNation (Nestroy) nicht Heimat der Literatur.
Seit einigen Jahren sind im Rahmen des Stipendienprojektes RanitzDrucke Dichterinnen und Dichter aus allen Ein- und Zuflußgebieten des Stromes nach Ottensheim eingeladen, eine Weile im Ort, an den Ufern, in den Gegenden zu sein –
zu gehen und zu erkunden, zu lesen und zu schreiben. In den RanitzDrucken werden Texte von ihnen in Buchdruck und mit Holzschnitten veröffentlicht.
Neben den RanitzDrucken wird ab 2009 auch die Buchreihe RanitzDialoge erscheinen. Jeweils zwei Autorinnen und Autoren werden schriftlich in Dialog treten, das Kulinarische und die (Fluss-)Landschaften sollten u. a. zur Sprache kommen.
Die „Europäisierung“ schreitet in schnellem Tempo fort, die österreichische Wirtschaft expandiert erfolgreich Richtung Osten – nur die Unkenntnis über die Kultur der Nachbarn bleibt bestehen. Der „Osten“ wird in vielen Köpfen als Bedrohung empfunden. Die RanitzDialoge könnten aufzeigen, wie viel Verbindendes und Gemeinsames besteht, sie könnten neugierig machen auf die weißen Flecke in den Landschaften Europas.
Anlässlich 20 Jahre Edition Thanhäuser und 15 Jahre RanitzDrucke wird 2009 das Symposion „Fließende Grenzen“ in Ottensheim und am Hamberg stattfinden.
Zu Gesprächen über Kindheit werden Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Ländern und Sprachen eingeladen. Literatur, Musik, gemeinsames Essen und Trinken.
Auf der Anhöhe des Puchenauer Taidings mit weitem Blick bis Linz, über den Kürnbergerwald und übers Eferdinger Becken verhandelten Slawen und Bajuwaren über ihr friedliches Zusammenleben. Es darf angenommen werden, daß dieses Treffen keine langweilige Angelegenheit war. Mit den „Fließenden Grenzen“ könnte diese Tradition eine Fortsetzung finden.
Zuflüsse sind das Myzel des Stromes –
Das Fremde wird Reichtum des Eigenen.
Idee/Konzept // Christian Thanhäuser
Kooperation // Edition Thanhäuser und Linz09
Mitwirkende // Ludwig Hartinger, Beate Luger, Irmgard Thanhäuser
Christian Thanhäuser (1956 in Linz geboren) ist freischaffender Graphiker (Holzschnitt, Zeichnung, Radierung) und Buchdrucker, lebt in Ottensheim und im Schloß Waxenberg. Zahlreiche Einzelausstellungen in Berlin, Bern, Budapest, Cesky Krumlov, Dornbirn, Feldafing, Feldkirch, Hannover, Landeck, Langenlois, Lech, Panitzsch, Linz, Ljubljana, Mattersburg, Ottensheim, Passau, Puchenau, Rankweil, Rauris, Rohrbach, Saarbrücken, Salzburg, Schlanders, Speyer, Tirana, Wetzlar, Wien, Wilhering, Zwickledt. Preiträger des Theodor-Körner-Preises Wien und des Ottensheimer Kulturpreises.
Angeregt von H. C. Artmann Gründung der Edition Thanhäuser 1989, seither sind über 60 Publikationen erschienen mit Autorinnen und Autoren aus Albanien, Deutschland, England, Guatemala, Irak, Italien, Kroatien, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, der Schweiz, Slowakei, Slowenien, Serbien, Tschechien, Ungarn, USA.
Eigene Gutenbergische Buch- und Graphikwerkstatt mit 500 Setzkästen und etlichen Handpressen. V. O. Stomps-Preis der Stadt Mainz, Auszeichnungen für die schönsten Bücher und Schutzumschläge Österreichs.