Nur durchgereist?
Linz 09 Minuten Aufenthalt
29. April – November 2009
Die Ausstellung greift die Rolle der Stadt als verkehrstechnischer „Mittelpunkt Europas“ auf. Aus Betrachtungen und flüchtigen Notizen zu manchen Reiseabenteuern oder Bekanntschaften historischer Persönlichkeiten und deren literarischen Verarbeitungen entsteht ein vielstimmiger Chor von (Vor-)Urteilen über die Stadt.
Diese widersprüchlichen Zeugnisse schaffen im Jubel des Kulturhauptstadtjahres auch Raum für Selbstironie und spielerische Distanz zum (Selbst-)Bild der Stadt.
Wenn Franz Grillparzer auf seiner Reise nach Frankreich und England am 31. März 1836 notiert: „Regen. Kann nicht einmal die Stadt ansehen, die ich zehnmal besehen und zehnmal wieder vergessen habe“, sagt das nichts über Linz, aber einiges über Grillparzer und das zeittypische Reiseverhalten aus. Schon im 18. Jahrhundert setzt die populäre Reiseliteratur die Sehnsuchtsmaschine „Fremde“ in Gang und konstituiert damit auch den Kanon der Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten der bereisten Gegenden. Auf der Strecke Wien – Paris kommt Linz dabei nicht oft vor.
Per Schiffspassage schneidet Linz zumeist besser ab. Nicht erst Joseph von Eichendorff ist begeistert, schon Lady Mary Montague schwärmt 1716 von der „vollkommen anmuthigen Reise“ in einem der kleinen Donauschiffe und den „prächtigen Palästen“ der Stadt. Nikolaus Lenau läuft 1844 kurz vor Linz auf Grund, Friedrich Hebbel ist 1848 verwundert, wie „unglaublich rasch“ das Dampfschiff gen Linz fährt und „die Gegend immer schöner wird.“ Hans Christian Andersen sieht 1834 in Linz zum ersten Mal „eine fertige Eisenbahn“, die Robert Musils Großvater mit erbaut hat; Musil selbst rückt 1914 in Linz ein, ebenso wie einige seiner Dichterkollegen. Der junge Hugo von Hofmannsthal möchte die „Linzer Tagespost“ dramatisieren, Theodor Herzl übernachtet wiederholt in Linz, wo „noch nie drei Fremde zugleich eingetroffen“ sind. 1938 führt dann für viele Exilanten der Fluchtweg Richtung Schweiz durch Linz: „Nun sind wir in Linz. Wieder die Fahnen, auf dem Bahnhof SS-Leute“, notierte Lili Körber. Thomas Mann war rechtzeitig in der Schweiz, aber er reiste vor und nach 1945 immer wieder durch Linz, bevorzugt per Nachtzug, ausgestiegen ist er allerdings nie. Günter Grass hingegen hat einen zeichnerischen Gruß in der Stadt hinterlassen.
Die Ausstellung verwandelt das StifterHaus in eine imaginäre Haltestelle; für die Dauer der Ausstellung stranden hier Erinnerungsstücke, Briefe, Kommentare, Reiseberichte und literarische Fundstücke berühmter Reisender, die ihrerseits von Linz09 auf Rundreise geschickt werden.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten, Zitaten und Geschichten rund um die transitorischen Begegnungen mit Linz quer durch die Jahrhunderte.
„Linz ist bloß eine sehr, sehr große Haltestelle.“ (Fritz von Herzmanovsky-Orlando)
„Von Linz kenne ich nur den Bahnhof und die Linzer Torte.“ (Alfred Polgar)
„Linz – man lächelt immer in Österreich, wenn jemand diesen Stadtnamen nennt, er reimt sich so unwillkürlich auf Provinz.“ (Stefan Zweig)
„In Linz geboren allein das ist ein fürchterlicher Gedanke.“ (Thomas Bernhard: Heldenplatz)
„Linz liegt, und darin war es Wien immer schon überlegen, wirklich an der Donau, auch drüben ist Linz.“ (Hans Weigel)
Eröffnung // 28. April 2009, 19.30 Uhr
Ort // SitfterHaus
Idee // Petra-Maria Dallinger, Regina Pintar
Konzept // Evelyne Polt-Heinzl
Mitwirkung Ausstellungsgestaltung // Peter Karlhuber
StifterHaus: Zentrum für Literatur und Sprache in Oberösterreich. Die Dachmarke „StifterHaus“ vereinigt in den Räumlichkeiten des ehemaligen Wohnhauses Adalbert Stifters (1805-1868) das seit 1950 bestehende Adalbert-Stifter-Institut, eine Forschungsstätte für Literatur- und Sprachwissenschaft, sowie seit 1992 das OÖ. Literaturhaus mit Veranstaltungsbetrieb, angeschlossen sind ein Literaturmuseum (mit Stiftergedenkraum) sowie ein Literaturarchiv mit Nachlässen oberösterreichischer AutorInnen.
Evelyne Polt-Heinzl (1960 in Braunau/Inn geboren) ist Literaturwissenschaftlerin und -kritikerin in Hirschwang in Niederösterreich. Ausstellungsprojekte u. a. zum Verhältnis von Literatur und Film, zu Ödön von Horváth, zuletzt „Arthur Schnitzler – Affairen und Affekte“ 2006/07.
Peter Karlhuber (1957 in Linz geboren) absolvierte sein Bühnenbildstudium in Salzburg. Diverse Ausstellungsgestaltungen u. a. zu Stefan Zweig, Thomas Bernhard, zuletzt „Arthur Schnitzler – Affairen und Affekte“ 2006/07.