Akustisches Manifest gegen 100 Jahre Lärmanbetung
Presseinformation
Donnerstag, 19. Februar 2009
Hörstadt antwortet Marinetti in Le Figaro
Kunsthistorisch (und akustisch) ist der morgige 20. Februar 2009 nicht irgendein Tag: Es ist der 100. Geburtstag des Futurismus. Auf den Tag genau (am 20. Februar 1909) veröffentlichte Filippo Tommaso Marinetti auf der Titelseite von Le Figaro das Futuristische Manifest – eine aggressive Lobeshymne des Fortschritts und der Gewalt. Was sich zunächst wie das pathetisch-provokante Pamphlet eines Spätpubertierenden ausnehmen mochte, erwies sich im Nachhinein als eine der intellektuellen Grundlagen und Vorboten des Faschismus.
„Ein Rennautomobil, dessen Wagenkasten mit großen Rohren bepackt sind, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen, ein heulendes Automobil, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake“, lautet eine der bekanntesten Passagen aus diesem zentralen Dokument der europäischen Geistesgeschichte. Sein Autor avancierte unbeschadet einer intellektuellen Liebäugelei mit der extremen Linken Ende der 1920er zum Kulturminister des Mussolini-Regimes und erhielt nach seinem Tod 1944 ein Staatsbegräbnis.
„Mit dem Futuristischen Manifest kam neben der Anbetung von Krieg, Maschinen und blindwütigem Fortschritt auch die Anbetung des Lärms in die Welt“, sagt Peter Androsch, Leiter für Musik bei Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas. „Im Rahmen unseres zentralen Projekts Hörstadt nehmen wir den 100. Jahrestag von Marinettis publizistischem Gewaltakt zum Anlass, mit dem Akustischen Manifest endlich zu antworten.“ Denn: „Heute ist es eine traurige Tatsache, dass die Welt unter allem leidet, was Marinetti für herrlich gehalten hat – Krieg, Maschinenlärm, Verkehrslärm sowie eine ins Absurde gesteigerte Mobilität und Beschleunigung unserer Lebensrhythmen.“
„Da ja die Traditionszeitung Le Figaro heute immer noch existiert, veröffentlichen wir auch genau dort das Akustische Manifest“, erklärt Androsch, der sich auch für das Dokument verantwortlich zeichnet. „Hier ist radikal zusammengefasst, was Hörstadt ausmacht: FÜR eine Politisierung des akustischen Raums, GEGEN die permanente Entwürdigung und Manipulation des Menschen durch Zwangsbeschallung, die akustische Bewusstlosigkeit von Architektur, Raum- und Stadtplanung sowie die Verlärmung unserer Welt.“