Von Graz nach Linz
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Gudrun Wallenböck, Mitarbeiterin der Projektentwicklung für Linz 2009, war schon bei Graz 2003 Projektleiterin. In ihrem Text schaut sie auf die Entwicklung und den Aufstieg der Grazer Kulturlandschaft zurück – Graz hat seine Chance als Kulturhauptstadt genutzt und Gelder und Aufmerksamkeit in erfolgreiche Projekte umgesetzt. Der Artikel erscheint im März 2006 in der Bremer Kulturzeitschrift „Zett“.
Die Stimmung in Graz ist am Tiefpunkt angelangt. Der Großteil der Bevölkerung ist unzufrieden und jammert, wie es sich für den typischen Österreicher auch gehört. Der Wechsel der politischen Landschaft in der Steiermark beherrscht das Tagesgeschehen, die Kulturhauptstadt 2003 liegt weit zurück, dennoch wird das kulturelle Hochjahr gerne für das Finanzdebakel der Stadt verantwortlich gemacht. Doch ist vieles nicht so wie es scheint: Angefangen hat alles mit einem kleinen, pardon, verschlafenen Ort im Süd-Osten Österreichs. Graz – Österreichs heimliche Liebe! Leider so heimlich, dass selbst die Bewohner nichts über sie wussten.Angeregt durch die Marketingkampagne der Kulturhauptstadt wurde sich der Grazer seiner Identität bewusst und der Bekanntheitsgrad wurde weit über die Grenzen hinweg gesteigert. Doch nicht nur Marketing war für den Erfolg verantwortlich: Graz hat den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ genutzt, um aus der Stadt eine Kultur(haupt)stadt zu machen.
Jahrzehntelange Diskussionen um ein Haus der Kunst wurden mit der Errichtung des Kunsthauses erfolgreich beendet. Der „friendly alien“ ist gelandet und seitdem ein nicht mehr wegzudenkendes Element der Stadt. Ebenso bekam die Stadt eine der akustisch besten Konzerthallen (Helmut List Halle), die lange benötigte Veranstaltungshalle (Stadthalle) und das Kindermuseum. Und endlich gab es auch für die ehemaligen Literaturhauptstadt Österreichs ein Haus der Literatur. Diese Projekte wurden eindeutig erst durch die Ernennung von Graz als Kulturhauptstadt ermöglicht.
Die für das Jahr 2003 zusätzlichen zur Verfügung stehenden Mittel wurden auch großzügig an die freie Szene verteilt. Die zu 80% einheimischen Künstler hatten die Chance, Projekte, die unrealisierbar schienen, umsetzen zu können. Träume und Wünsche konnten oftmals erfüllt werden. Noch nie wurde so viel Kunst und Kultur betrieben und ermöglicht. Dass danach Leere und ein dumpfes Gefühl folgte, ist verständlich. Der plötzlich aufgetauchte finanzielle Geldregen versiegte und die (finanzielle) Lage der Kulturtöpfe/Subventionen hat sich auf dem selben Stand wie zuvor eingependelt. Die Zeit des Überflusses ist vorbei, aber einen Aufschwung für Kunst, Kultur, Stadt und deren Bewohner hat es allemal gebracht. Jetzt heißt es, das Potential zu nutzen und auszubauen. Graz hatte seine Chance und hat sie genutzt. Der Titel Kulturhauptstadt ermöglicht vieles, gearbeitet werden muss aber auch jetzt noch.