Von der Weser an die Donau
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Ulrich Fuchs, stellvertretender Intendant von Linz 2009 und vorher Mitarbeiter in dem Team, das die Bewerbung Bremens als Europäische Kulturhauptstadt 2010 vorbereitete, resümiert in der Bremer Kulturzeitschrift „Zett“ seine ersten zwei Arbeitsmonate in Linz. Und kommt zu einem positiven Ergebnis für die Stadt. Der Artikel erscheint im März 2006.
Einst, vor 359 Jahren, hat sich der Bremer Senat mit dem Linzer Diplom die Reichsstadturkunde durch eine beachtliche Summe an Bestechungsgeldern erkauft. So etwas würde der Bremer Senat heute nie und nimmer wiederholen, auch nicht, wenn es um die Europäische Kulturhauptstadt ginge – und die Linzer würden den Titel für das Jahr 2009 wohl auch nicht hergeben. Die Konsequenz ist bekannt: da Bremen ungerechterweise im Jahre 2010 nicht europäische Kulturhauptstadt sein wird, können Martin Heller und ich versuchen, einige der für Bremen entsonnenen Ideen in Linz zu verwirklichen.Nach zweimonatiger Arbeit in der Landeshauptstadt Oberösterreichs entsteht der Eindruck, dass die 200.000 Einwohner-Stadt Linz über ein erstaunliches Potential verfügt, um dem hohen Anspruch, für das Jahr 2009 Gastgeberin Europas zu sein, gerecht zu werden. Die von der sehr professionell aufgestellten Kulturadministration seit mehreren Jahren aus eigener Kraft strategisch klug und erfolgreich betriebene Bewerbung beruhte auf einem guten Fundament: Linz ist eine ökonomisch prosperierende Industriestadt, die bei geringer Arbeitslosigkeit über mehr Arbeitsplätze als Einwohner verfügt. Herzstück der Wertschöpfung ist die voest alpine, die als moderner europäischer Stahlbetrieb mit seinen breit ausgelegten Produkten längst als „global player“ gilt. Die Wirtschaftsstruktur Oberösterreichs, dem „Tigerstaat“ unter den Bundesländern der Alpenrepublik, profitiert ebenso wie das gesamte Land enorm von der Erweiterung der Europäischen Union nach Osten. Parallel zu der ökonomischen Erfolgsgeschichte hat die Stadt in den letzten 25 Jahren enorm in die kulturelle Infrastruktur investiert, so dass außen stehende Experten urteilen, dass „spätere Wirtschaftsgeschichte zwei Städte nennen (wird), die eingangs des dritten Jahrtausends erkannten, dass sich nichts so sehr verzinst wie Investitionen in Kunst und Kultur: Linz und Bilbao.“ Durch die Errichtung des Ars Electronica Centers bündelte die Stadt ihre Ressourcen im Bereich von Kunst, Technologie, Wissenschaft und Wirtschaft und setzte ein Signal in Richtung Kommunikation und Kooperation zwischen diesen zukunftsträchtigen Faktoren. Mit dem Bau des Brucknerhauses wurde der Grundstein für die Linzer Kulturmeile an der Donau geschaffen. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde mit dem Lentos ein neuer Maßstab für Architektur, Inhalt und Programm eines zeitgenössischen Kunstmuseums geschaffen. 60.000 Besucher pro Jahr verweisen auf die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Hauses.
Bis zum Kulturhauptstadtjahr 2009 werden weitere Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der Stadt realisiert: es entsteht ein neues, architektonisch herausragendes Musiktheater, mit dem Wissensturm ein modernes Zentrum für Stadtbibliothek und Volkshochschule und soeben beschlossen wurde ein bis 2008 realisierter Erweiterungsbau des Ars Electronica Centers direkt an der Donau.
Dass Kunst und Kultur im katholisch geprägten Süden und speziell in Österreich traditionell einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert haben als im protestantisch- calvinistischen Norden, gehört zu den Allgemeinplätzen der jüngeren Kulturgeschichte. Das gilt insbesondere auch für Linz. In einer seit mehr als einem halben Jahrhundert sozialdemokratisch geprägten Stadtpolitik und konservativ geprägten Landespolitik wäre es zum Beispiel undenkbar, das Budget des Vier- Sparten-Landestheaters (32 Millionen Euros, 28 Ensemble-Mitglieder allein in der Schauspielsparte) unter einen mit den Bremer Verhältnissen vergleichbaren Ökonomisierungs- und Einspardruck zu setzen. Die bornierte und obsolete Argumentationsfigur, die in Kreisen der Bremer (Kultur-)Politiker nahezu unwidersprochen auf Zustimmung stößt : „erst kommt Bildung und kultureller Mindeststandard, dann sehen wir mal, ob für Innovation im Kulturbereich noch etwas Geld übrig bleibt“ bleibt den Linzerinnen und Linzern erfreulicherweise erspart.
Die Linzer Kulturszene hat übrigens aus der Ferne die Bremer Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010 recht genau verfolgt und viele sagen, Bremen hätte eigentlich allein schon aufgrund der guten Bewerbung die Chance verdient gehabt, eine Runde weiterzukommen.