Ein Interview mit Ulrich Fuchs
Dr. Conrad Lienhardt, Kulturmanager, Unternehmensberater und Herausgeber der unabhängigen Plattform www.linz09.info führte ein Interview mit dem stellvertretenden Intendanten von Linz 2009 Ulrich Fuchs. Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews.
Die Bewerbung der Stadt Linz für die Kulturhauptstadt Linz 2009 stand unter dem Motto: „Linz - Labor der Zukunft“ mit einem eindeutigen Schwerpunkt auf Neue Medien. Ist dieses Motto noch aktuell?Wir haben die Bewerbungsschrift zweimal wahrgenommen und gelesen. Einmal, als der Gedanke bei uns aufkam, nach Linz zu gehen. Wir haben die Bewerbungsschrift sehr interessiert gelesen und waren sehr beeindruckt. Nach einigen Monaten des Hierseins haben wir sie zum zweiten Mal gelesen und dann in stärkerem Maße festgestellt, wo in der Bewerbung die Defizite liegen.
Die Bewerbungsschrift ist mehr eine Beschreibung des Ist-Zustands von Linz. Aus ihr geht weniger hervor, wohin sich Linz entwickeln will. Als Beschreibung für den Zustand, den Linz mit diesem Schwerpunkt auf Neue Medien tatsächlich darstellt, finde ich den Claim “Labor der Zukunft” treffend und interessant. Ich denke aber nicht, dass das für das Projekt 2009 und für die Entwicklungsperspektive das richtige Motto ist. Wir werden bei diesem Motto eher nicht bleiben. Wir werden uns eine Alternative erarbeiten, wobei nicht gesagt ist, dass wir krampfhaft einen Claim suchen. Vielleicht finden wir ihn im Laufe der Zeit. Aber generell halten wir es nicht unbedingt für notwendig, die Kulturhauptstadt Linz 2009 unter ein Label zu stellen, unter das alles subsumiert wird.
Ich finde das Label, das Liverpool gefunden hat, sehr passend und gut für die Stadt: “The world in one city”. Das trifft es sehr gut was Liverpool verkörpert, in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart. Man wird sehen, wieweit das mit dem Programm 2008 zu tun haben wird. Ich denke, so etwas muss einem - ich will nicht sagen - zufliegen, aber man wird es eher finden, als dass man es sucht.
Die Intendanz wird sich demnach durch die Tourismuswirtschaft und die Notwendigkeit, bis Ende 2007 entsprechende Packages zu schnüren, nicht unter Druck setzen lassen, ein Label oder Motto zu finden.
Nein, das wird so nicht sein. Ganz klar, dass diejenigen, die den Tourismus in Stadt und Land verantworten – ich möchte fast sagen - naturgemäß ein Interesse daran haben, so früh wie möglich mit detaillierten Programmpunkten auf den touristischen Markt gehen zu können. Das wird man Ende 2007 sicherlich auch tun können. Ende 2006, Anfang 2007 kann das sicherlich erst rudimentär geschehen. Vor allem ist es dann ganz objektiv noch zu früh, hinsichtlich eines Auftritts auf touristischen Börsen mit einem möglicherweise fragwürdigen oder von uns nicht wirklich hundertprozentig gewollten Claim.
Wie würden Sie das Selbstverständnis der Intendanz beschreiben?
Was sich bei uns in den vergangenen Wochen und Monaten als Erkenntnis durchgesetzt hat und worauf wir öffentlich auch schon mehrfach hingewiesen haben ist, dass wir die Situation aus der Distanz doch etwas anders einschätzen, als es die rhetorische Wendung “von der Stahlstadt zur Kulturstadt” vermittelt. Wir sehen in Linz weniger eine postindustrielle als vielmehr eine neoindustrielle Stadtgesellschaft. Die Form, wie hier Industrie in der Stadt verankert ist, hat gewechselt. Es handelt sich nicht mehr um eine klassische Industrie, wie wir sie in den 60er, 70er und 80er Jahren hier noch hatten, sondern um eine Industrie, die sehr stark durch technologische und wissenschaftliche Neuerungen geprägt ist und über ein technologisch hoch aufgerüstetes Instrumentarium der Innovation verfügt.
Nach wie vor sehen wir die Stadt als eine Industriestadt, die in den letzten 20 Jahren gleichermaßen stark in den Bereich Kultur investiert hat. Die Parallelität von Industriestadt und Kulturstadt ist etwas, was uns sehr interessiert und wo wir für Linz ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb Europas und gegenüber den bisherigen Kulturhauptstädten sehen.
Woran wird die Intendanz 2010 ihren Erfolg messen?
2010,11,12,13,14 - das ist der Zeitraum, der uns im Moment mindestens genauso interessiert wie der Zeitraum 2009. Das Programm des Kulturhauptstadtjahres ist die eine Baustelle, auf der wir uns zur Zeit bewegen. Im gleichen Maße beschäftigt uns die Auseinandersetzung mit der Frage, wie wird Linz nach 2009, nach dem ‚kollektiven Blues’, wie Hans Stöckli das neulich formuliert hat, mit dieser Situation umgehen. Alle unsere Gespräche, die wir mit Akteurinnen und Akteuren der Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur führen, gehen sehr stark in diese Richtung. Wir setzen uns intensiv mit der Frage „Wie wird die Zeit in Linz nach dem Kulturhauptstadtjahr aussehen?“ auseinander, auch im Sinne der Vermeidung von vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlern und Schwächen anderer Kulturhauptstädte. Wir gehen davon aus, dass die kulturelle Entwicklung bis 2009 und dann vor allem 2009 selbst eine große Spitzen- und Breitenwirkung haben wird. Wir haben für diese Jahre ein Budget zur Verfügung, das es danach nicht mehr geben wird. Und unser Ziel wäre, dass die kulturelle Entwicklung nach dem Kulturhauptstadtjahr auf einem höheren Niveau verlaufen wird als in der Zeit vor 2009 – auch wenn der kulturelle Status der Stadt nach 2009 sicherlich nicht auf dem Niveau von 2009 gehalten werden kann.
In der Errichtungsurkunde der Linz 2009 GmbH und damit wohl auch in den Anstellungsverträgen der Intendanz ist das Ende mit dem 1. Quartal 2010 anvisiert. Das Evaluationsmodell eines Erfolges müsste daher doch kurzfristiger sein. Wie bilanziert die Intendanz ihren Erfolg bei der Auflösung der Gesellschaft, bzw. nach Ablauf der Verträge? Was sind die Kriterien und woran will sich die Intendanz messen und messen lassen?
Messen lassen werden wir uns zunächst einmal an einem erfolgreichen Kulturhauptstadtjahr - erfolgreich unter mehreren Gesichtspunkten: zunächst einmal als erfolgreich im Sinne einer Innenwirkung in die Stadt. Wir wünschen uns und nehmen das auch als „mission statement“, dass die Anteilnahme der Linzerinnen und Linzer beträchtlich sein wird, ebenso die Identifikation mit diesem Projekt, der Stolz auf das, was die Stadt ausrichten kann, was sie für Europa sein kann.
In zweiter Linie muss Kulturhauptstadt auch immer eine Wirkung nach Außen haben. Wir werden uns allerdings nicht vordergründig an Besucherzahlen messen lassen, sondern an einer Mischung aus hoffentlich erreichtem hohem Interesse, das sich in kulturtouristischen Zahlen niederschlägt, an der medialen Aufmerksamkeit, die die Kulturhauptstadt in der internationalen, nationalen und regionalen Presse erfährt. Es gibt es ganz klare Benchmarks: etwa die Erfahrungen von Graz und Lille. Natürlich ist es unser Ziel mindestens so gut, eher besser zu sein als die drei Kulturhauptstädte, die vor Linz noch folgen werden, also Patras, Luxemburg und Liverpool. Und – es sei noch einmal wiederholt -: es muss nach 2009, 2010 erkennbar sein, dass die Voraussetzungen dafür gelegt sind, dass sich die kulturelle Entwicklung von Linz auf höherem Niveau weiter entwickeln wird, als dies im Zeitraum vorher der Fall war.
Das bedeutet, dass damit auch Strukturarbeit gemeint ist.
Ganz genau; im Grunde ist es die Aufforderung, Überlegungen anzustellen, wie sich das Kulturhauptstadtjahr in nachhaltiger Form in Linz auswirken könnte und wie die Nachhaltigkeit gesichert werden kann. Das ist sogar Gegenstand unserer vertraglichen Vereinbarung mit der Stadt Linz.
Nun hat Martin Heller wiederholt gesagt, dass es nicht Aufgabe der Intendanz sei, z.B. den Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz in eine Pragmatik zu überführen. Strukturarbeit in der Stadt Linz ist aber ohne Bezugnahme auf den Kulturentwicklungsplan wenig vorstellbar. Wie verhält sich dies zueinander?
Einerseits sind wir dafür nicht verantwortlich, das ist völlig richtig. Wir sind auch nicht Teil oder Ersatz städtischer Kulturpolitik oder der des Landes. Aber wir sind verpflichtet - und das tun wir auch - im Dialog und in Auseinandersetzung mit den in Stadt und Land für Kultur Verantwortlichen den Prozess mit zu beeinflussen, dass sich Kulturentwicklung auch in Form dieses Kulturentwicklungsplanes durch 2009 und nach 2009 neu fortschreibt. Fakt ist auch, dass wir diesen Prozess durch unsere regelmäßigen Gespräche mit den in Land und Stadt für Kultur Verantwortlichen begleiten.
Im Moment sind relativ konkrete Überlegungen im Gange, wie der Kulturentwicklungsplan Linz fortgeschrieben werden kann, mit welcher Methode und in welchen Formen. Linz Kultur bezieht uns - auch wenn sie natürlich den Hut aufhaben - mit unserem Know-how, mit unserer Erfahrung und mit unserem Blick auf die Stadt in diese Überlegungen mit ein.
Ist die Intendanz in die Entwicklung des Landeskulturentwicklungsplanes involviert?
Wir haben regelmäßige Gespräche mit Herrn Landeskulturdirektor Dr. Mattes. Wir wissen auch um die Zusammensetzung des Gremiums, das den Landeskulturentwicklungsplan erstellen soll. Wir sind aber konkret in dieser Gruppe nicht vertreten.
Inwieweit nehmen Politiker auf die Entwicklungsarbeit der Intendanz Einfluss? Immerhin ist sie mit Bezug auf Nachhaltigkeit ja kulturpolitisch relevant.
Politik manifestiert sich, was die Programmgestaltung für Linz 2009 anbetrifft, bislang im Sinne eines Vertretenseins im Aufsichtsrat der Linz 2009 GmbH - durch den Vizebürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzenden und andere politische Kräfte, die durch Stadt, Land und Bund nominiert wurden. Das sind die Rahmenbedingungen. Für die inhaltliche Entwicklung gibt es keine Form, in der politischer Einfluss bisher erkennbar wäre. Hier wird das Intendantenprinzip auch vom Vertrag her eingehalten. Es gibt die künstlerische Freiheit der Programmgestaltung und es hat bisher keinerlei Versuche gegeben, darauf irgendwie Einfluss zu nehmen. Im Gegenteil. In Gesprächen, die von unserer Seite mit Blick auf Linz 2009 gesucht werden, wird von politischer Seite gesagt: wir wollen gar nicht wissen, was da konkret an Projekten vorbereitet wird.
Der Kontakt zur Politik ist einer, den wir vor allem auf der zweiten Baustelle suchen und finden, um klar zu machen, dass Linz 2009 mehr sein kann, als ein Festival, dass es sich auch als ein Stadtentwicklungsprojekt begreifen kann. Man kann Linz 2009 als Katalysator, Beschleuniger, Ermöglicher anderer städtischer Vorhaben und Projekte nutzbar machen. Das geht natürlich nur, indem Politik das auch prioritär setzt und dann auch Vorhaben realisiert. Das trifft übrigens nicht nur für Politik, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft zu.
2009 kann zum Anlass genommen werden, um Dinge vorzuziehen und zu realisieren, die nichts mit dem Budget der Kulturhauptstadt zu tun haben, die ohnehin auf der städtischen Agenda stehen, die aber jetzt unter diesem Druck, den das Projekt ja auch ausübt, beschleunigt vorgenommen werden können.
D.h. das Wahljahr 2009 als Kommunal- Landtags- und Europaparlamentswahljahr wirft keine Schatten voraus.
Nein. Ich würde es so beschreiben: Die Tatsache, dass erst im Herbst 2009 gewählt wird macht das Projekt interessant, weil alle Politikerinnen und Politiker hochrangiges Interesse daran haben, dass die Kulturhauptstadt ein Erfolg wird.
© linz09.info
Dr. Ulrich Fuchs ist stellvertretender Intendant und Leiter der Programmentwicklung der Kulturhauptstadt Linz 2009 GmbH.
Dr. Conrad Lienhardt, Kulturmanager und Unternehmensberater, ist Herausgeber und Chefredakteur von www.linz09.info, der unabhängigen Plattform der Kulturhauptstadt Linz 2009