Die Schauspieloper
repräsentiert eine Gattung des Musiktheaters, die nicht auf ausgebildete, meist den Erwartungen des Liebhabergeschmacks aufgebügelte, vermeintlich makellose Stimmen setzt, sondern Fehler und Unzulänglichkeiten des menschlichen Stimmklangspektrums als Qualität und Charakteristikum des Individuums wahrnimmt.Ich kann mir nicht vorstellen, dass der alte Fouché in der Hölle der auf ihm lastenden Vergangenheit und im Verlies seiner zunehmenden Sprachlosigkeit Perlen des Schöngesangs in sängerisch gestützter Wortwucht über uns ergießt.
Dieses Stück braucht vor allem gute Schauspieler. Und da die Erfahrung lehrt, dass die meisten von ihnen gerne singen, lag es nahe, die Schauspieloper zu erfinden.
Einen besonderen Reiz sehe ich in den Grenzbereichen des Ausdrucks, wo Sprache in Musik übergehen muss. Deshalb habe ich den fünf Notenzeilen weitere hinzugefügt, um den Eindruck des gewohnten Notenbildes zu erhalten, aber gleichzeitig die präzise Festlegung von Tonhöhen zu unterwandern. Der Darsteller sieht zwar die Absicht des Komponisten, kann sie aber nicht erfüllen und in solch verlorener Position seine eigene Lösung finden; er komponiert das melodisch Vage sozusagen nach seinen Vorstellungen mit und setzt die Stimme nicht nur musikalisch, sondern auf den Sprachduktus bezogen ein. Dasselbe gilt für den Chor, der, wenn er hier und da in zehn statt fünf Zeilen niedergeschrieben, zu einer Art Sprechgesang gelangt und damit einen kaum zu kontrollierenden Massenklang erzeugt.
Dass die in zehn Zeilen geschriebenen Notationen so widersinnig präzise aussehen und nicht einfach nur bequeme Clusterzeichen benutzen, ist ein Animationsaspekt für die Ausführenden, ein Verkehrszeichen, das vor allzu leichtfertiger Beliebigkeit warnt und trotz großer Freiheit auch Annäherung einfordert.
Wo gewöhnlicher Gesang gepflegt wird, habe ich mich auf Melodien beschränkt, die jeder singen kann. Meist handelt es sich dabei um Lieder, die es in der Volksliteratur geben könnte oder um Reminiszenzen einer von Fouché erinnerten Figur.
Franz Hummel