KANALDECKELPROJEKTE LANDSTRASSE
Unter der Oberfläche verborgen, ist der städtische Raum durchzogen von Schächten und Kanalsystemen, die Abwasser, Gas- oder Heizungsrohre führen. Die Verbindung dieser verborgenen Unterwelten mit dem bunten Leben in der Stadt bilden die kaum beachteten Kanaldeckel, die die Stadt wie ein dichtes Netz überziehen. In einer Reihe von Interventionen werden zwischen Hauptplatz und Schillerpark auf dem Subsystem aufgesteckte Kanalrohre visuell oder akustisch „bespielt“: Einblicke, die 50 Meter in die Tiefe führen oder gar den Blick bis auf die andere Seite der Welt ermöglichen, tun sich auf.Ein Projekt in Kooperation mit der Linz AG.
Künstlerische Projektpartner: Kunstuniversität Linz, Bildhauerei_transmedialer Raum / Renate Herter und Raum- und Designstrategien / Pepi Maier.
Katharina Lackner
Hochunten, 2008
Videoinstallation
Statt auf einen Kanaldeckel fällt der Blick auf eine Gestalt in einem fröhlich gepunkteten Kleid, die wie ein Kreisel um die eigene Achse wirbelt. In einer Atem beraubenden Geschwindigkeit scheint sie sich immer weiter in die Tiefe zu bohren. Während die Künstlerin im ersten Teil des Videos mit ihrer spielerischen Bewegung den Raum öffnet und weitet, lotet sie im zweiten die Tiefe desselben fallend aus. Immer wieder springt sie nun in den Abgrund und ihr Kleid mutiert zu einer Art Gleitschirm. Zauberhaft und durch die veränderten Geschwindigkeiten leicht entrückt erscheint Katharina Lackners Vermessung der Tiefe.
geb 1981 in Kirchdorf, lebt und arbeitet derzeit in Linz www.kathilackner.net
Wolfgang Bretter
Der Zug fährt ab, 2008
Installation
Eine U-Bahn, angepasst an die Linzer Verhältnisse, setzt sich, über einen Lichtschranken ausgelöst, in Bewegung. Während die vertraute Ansager-Stimme „Der Zug fährt ab, Der ...“ verkündet, fährt die von innen beleuchtete Modellbahn unter der Erde, auf der Seite liegend und gegen den Uhrzeigersinn im Kreis. Die Wagen der dreiteiligen Garnitur mussten jeweils zweimal geknickt werden, um dem Radius des Linzer Kanalsystems zu entsprechen. Wolfgang Bretters Annäherung an das Phänomen der Tiefe erfolgt über das Verkehrsmittel und ist gleichzeitig ein ironischer Kommentar zu einer Kleinstadt, die sich mit großstädtischem Habitus zur Kulturhauptstadt rüstet.
geb 1973 in Pöllau/Hartberg, lebt und arbeitet in Grieskirchen und Linz
Svitlana Trattmayr
Kaleidoskop, 2008
Installation
Statt farbiger Steinchen glitzert hier unten der Stoff, von dem die Landstraße lebt: Bares wird in das Kanalrohr eingeworfen, und das sich ständig verändernde Innenleben kann von uns selbst aktiv bewegt werden. Das Bild der Münzen wird vielfach gebrochen, facettenreich zu einem symmetrischen Muster und nicht zuletzt zur Abstraktion. Wir nehmen teil an einem spielerischen Akt, bei dem der Geld-Einwurf jenseits des klassischen Warentauschs etwas anderes verspricht: die Sicht auf etwas Spektakuläres, die Hoffnung auf Rückkehr oder schlichtweg Glück.
geb 1978 in Lviv, Ukraine, lebt und arbeitet in Linz
Alexander Jöchl
Fluchtweg freihalten!
2008
Installation
Die vertrauten Hinweise auf die im Notfall zu benutzenden Fluchtmöglichkeiten erscheinen im Inneren des Kanalrohres und werden damit zunächst zu einem ironischen Verweis auf die Vorschriften und Markierungen im öffentlichen Raum. Doch an wen sich diese Hinweise richten bleibt verdeckt, ist die durchsichtige Türe doch eindeutig nur von Innen zu öffnen. Wozu ein Fluchtweg aus dem Kanalsystem? Auf einer scheinbar neutralen Ebene wird hier der Fluchtbegriff an sich verhandelt, sind doch beim inszenierten Fluchtweg weder die Flucht vor Feuer noch vor sonstiger Gefahr angesprochen. Hier bietet sich die Möglichkeit, sich selbst mit dem Thema Flucht und Ausstieg aus dem Untergrund zu konfrontieren.
geb 1971 in Kitzbühel, lebt und arbeitet derzeit in Linz
Johannes Steininger
ring…ring…ring…, 2008
Installation
Aus unterschiedlichen Entfernungen, mal laut, mal leiser, tönt es aus der Tiefe. Die Lage der ausgelösten Glocke ist anhand der Namensschilder auf dem Klingelbrett erahnbar. Die unzugänglichen Tiefen, ihre spezifischen räumlichen Qualitäten werden akustisch erfahrbar. Wir schicken den Schall, damit er uns ein Stück des Unsichtbaren mit seinen Wellen erschließt. Beim Versuch, die unbekannten Orte zu durchmessen, ihrer habhaft zu werden, entdecken wir mit dem Hörsinn neue Räume, die wir mit unserer Vorstellungskraft füllen.
www.myspace.com/johannessteininger
geb 1977 in Linz, lebt und arbeitet in Berlin
Georg Schobert
Ohne Boden, 2008
Installation
Eine optische Konstruktion lockt als Versuchung, sich mental auf die Tiefe einzulassen und dem Schwindel zu widerstehen. Der Blick in die Tiefe des Kanalschachtes offenbart ein Loch ohne Sicht-baren Boden. Aus großer Entfernung rauscht Abwasser durch einen Kanal. Was zunächst wie ein unendlich langes Rohr erscheint, ist eine aufwändige technische Konstruktion, die ohne optische Hilfsmittel ein visuelles System erzeugt. In der Art eines umgedrehten Fernrohrs verlängern ineinander geschobene, sich konisch verengende und verkürzende Aluminiumrohre die reale
Konstruktion von fünf Metern in unserer Wahrnehmung um das Zehnfache. Über die Umkehr der Perspektive wird die Wirkung von Tiefe spielerisch erfahrbar.
geb 1969 in Tulln, lebt und arbeitet in Linz
Miguel Jose Gonzalez Gonzalez
7,5°, 2008
Installation
Support: Alannah Gunter, Victoria University; School of Design in Welllington / Neuseeland & Fringe HQ www.fringe.org.nz
Wer wollte nicht schon einmal auf die gegenüberliegende Seite der Erde blicken? So leicht man mit diesem Gedanken spielen kann, so faszinierend ist auch die Vorstellung, den Globus tatsächlich diametral zu durchqueren. Miguel José Gonzalez Gonzalez eröffnet diese Möglichkeit: Beim Blick in die Kanaltiefe schaut man in den Himmel über Wellington in Neuseeland in Echtzeit. Um auf Land zu stoßen, wurde die virtuelle Bohrung um 7,5° geneigt – eine Schrägstellung, die auch die Lage des Kanalrohres bestimmt. Mit der ungewöhnlichen Perspektive wird nicht nur das Verhältnis von oben und unten in Frage gestellt, sondern auch das ansonsten abstrakte Gegenüber greifbar.
geb. 1973 in Dornbirn, lebt und arbeitet in Linz
Constantin Chaber
wellenreiterIn, 2008
Installation
Was auf den ersten Blick unspektakulär wirkt, wird durch den eigenen Körpereinsatz zum vertikal beweglichen Schwimmkörper. Der Raum des Kanalschachtes wird sinnlich erfahrbar gemacht über das Medium, das sich in der Tiefe bewegt: Wasser wird zum Mittel, zum Träger für die PassantInnen, denen sich erst durch die Interaktion, über den Gleichgewichtssinn die Funktionsweise des ungewöhnlichen „Stadtmöbels“ erschließt.
geb. 1978 in Passau, lebt und arbeitet in Linz
Roland Wegerer
Ich bin kein Fisch; 2006/2008
Videoinstallation
Im roten Kanalrohr taucht ein Kopf auf. Das Gesicht ist leicht verzerrt und wirkt angestrengt. Irritierend ist die Bewegung der Luftblasen. Sie treiben nach unten. Was wie ein Auftauchen aus der Tiefe eines Kanals scheint, bildet in Wirklichkeit den Moment des Untertauchens ab. Das Video, das den Künstler Roland Wegerer bei wiederholten Tauchgängen zeigt, ist auf den Kopf gestellt und erzeugt über dem, auf Augenhöhe fixierten Monitor die Illusion einer aus einem Kanalsystem auftauchenden Person. Wegerer konfrontiert sich in seinen einfachen Versuchsanordnungen mit den Grundstrukturen unseres Alltags und lotet eindrucksvoll dessen Grenzen aus.
geb. 1974 in Amstetten, lebt und arbeitet in St. Nikola, OÖ www.rolandwegerer.com
Stefan Hofer
event horizon, 2008
Installation
Der Blick in diesen Kanal führt uns in einen ungewohnten medialen Erfahrungsraum. Von unten werden zweidimensionale Bilder verfremdet, indem sie in ein dreidimensionales Material projiziert werden: Im Wasser bewegen sich grafische Strukturen, die zu Körpern werden, gemacht aus Licht. Ist es doch dieser flüchtige Träger, der die Materie erst sichtbar werden lässt. Lichtgeschwindigkeit und Raumzeitkrümmungen, auf die der Begriff event horizon anspielt, sind zu Symbolen für das Informationszeitalter geworden. Die sinnliche Installation spielt mit der Visualisierung solch kaum fassbarer Phänomene.
geb. 1980 in Kufstein / Tirol, lebt und arbeitet in Linz